Der tendenzielle Fall der Produktivität im Zeitalter der Digitalisierung

Prof. Dr. Lars Feld, Direktor des Walter-Eucken-Instituts und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, beschäftigt sich in einem kurzen Artikel mit dem Phänomen sinkenden Produktivitätswachstums in Zeiten der Digitalisierung und Robotisierung in Deutschland (Was bringt die Digitalisierung? FAZ 21.1.2019, Nr. 17, S. 16). Er kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung produktivitätssteigernde Effekte durch Digitalisierung und Robotisierung dämpft.

Am Beispiel der Faktorproduktivität stellt sich die Datenlage wie folgt dar:

Factor productivity, Germany, rate of change

Von einem Rückgang des durchschnittlichen Produktivitätswachstums (total factor productivity) im Zeitraum 2006-2016 (im Jahresschnitt 0,67%) gegenüber dem Zeitraum 1995-2005 (im Jahresschnitt 0,42%) kann hier allerdings keine Rede sein - trotz der Finanz- und Eurokrisenjahre 2008ff.

Dagegen bricht das durchschnittliche Produktivitätswachstums in den USA im Zeitraum 2006-2016 (im Jahresschnitt 0,42%) gegenüber dem Zeitraum 1995-2005 (im Jahresschnitt 1,37%) geradezu ein:

Factor productivity, United States, rate of change

Historisch lagen die Zuwachsraten der Arbeitsproduktivität immer über denen der Kapitalproduktivität. Vergleicht man die Produktivitätsentwicklung beider Staaten fällt allerdings auf, dass sich die Entwicklung der Arbeitsproduktivität (labour share) relativ zur Kapitalproduktivität (capital share) abflacht. In der dt. Wirtschaft entwickeln sich Arbeits- und Kapitalproduktivität bereits seit einigen Jahren sogar synchron.

Dabei spricht einiges dafür, dass sich in dieser Entwicklung die Digitalisierung durchaus bemerkbar macht, immerhin nutzen über 60% der Arbeitnehmer in Deutschland Computer am Arbeitsplatz und die sog. Industrie 4.0 ist vielfach schon Realität Use of computers and the internet by employees. D.h., Arbeit wird in allen Industriebereichen durch Kapital substituiert. Erzeugt das Kapital aber keinen nennenswerten Multiplikatoreffekt mehr auf die Arbeitsproduktivität, bestimmt es zunehmend autonom die Produktivitätsentwicklung. Das hieße, da der Kapitaleinsatz relativ zur Produktivität tendenziell konstant ist, in der digitalen Welt tendiert der Zuwachs an Arbeitsproduktivität ebenso wie die Produktivitätsentwicklung insgesamt gegen null.

Fällt die Arbeitsproduktivität und damit der Einkommensanteil der Arbeit tatsächlich bereits als Folge der Digitalisierung, und nicht wie Lars Feld meint durch die Integration gering qualifizierter Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt, könnte es gesellschaftlich schnell unangenehm werden. Wenn die alten Verteilungsspielräume austrocknen, helfen auch keine „unternehmensnahen Dienstleistungen“ oder „Gründungsaktivitäten“ mehr. Besser Politik und Gesellschaft fassen frühzeitig kluge Steuersysteme und Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen ins Auge, damit sich alle die schöne neue Welt auch werden leisten können.